Im Gespräch – Dr. Timo Krüger, Ingenieurgesellschaft Heidt + Peters mbH

Dr. Timo Krüger (TK)

Die Fragen für DHI stellte Dr. Carlos Rivera Villarreyes [CRV], Director Sales Service & Support D-A-CH

[CRV] Sehr geehrter Herr Dr. Krüger, als Grundwassermodellierer der Ingenieurgesellschaft Heidt + Peters mbH nutzen Sie seit einigen Jahren erfolgreich unsere Grundwassermodellierungs-Software FEFLOW. Seither sind wir über den DHI Software-Support und über das ACADEMY-Training miteinander in Kontakt. Ich freue mich, dass wir heute die Gelegenheit haben, uns über einige Gedanken und Ideen hinsichtlich der Modellierungsarbeit auszutauschen. Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit mit FEFLOW und Ihr aktuelles Grundwassermodellierungsprojekt erzählen?

[TK] Hallo Herr Dr. Rivera Villareyes. Ursprünglich hatten wir FEFLOW angeschafft, da es die einzige Software am Markt war, die eine detaillierte numerische Modellierung von Erdwärmesonden ermöglichte. Seitdem nutzen wir FEFLOW zum Beispiel im Rahmen von Wasserrechtsverfahren für geothermische Anwendungen, komplexe Grundwasserhaltungen und Grundwasserentnahmen. In einem aktuellen Projekt erstellen wir die Antragsunterlagen für die Entnahme von Grundwasser für die landwirtschaftlichen Betriebe eines gesamten Landkreises. Die beantragten Entnahmen belaufen sich auf etwa 32 Mio. m³/a. Das Modellgebiet erstreckt sich über mehr als 3.500 km² und enthält über 2.900 Multilayer wells. Die Bearbeitung dieses Projekts ist spannend und fordert uns erfreulicherweise täglich neu heraus.

[CRV] FEFLOW hat während der letzten Jahre enorme Verbesserungen erfahren: In der Version 6.2 wurde die automatische Kalibrierung mit der Software FePEST eingeführt, seit Version 7.0 gibt es neue Wege, um mit der FEFLOW-Python-Benutzeroberfläche und mit unstrukturierten Netzen zu arbeiten, und schließlich bietet die aktuelle Version 7.1 neben angepassten Workflows auch eine Kopplungslösung für Oberflächenwasser mit MIKE 21 FM. Haben die neuen Entwicklungen Sie bei Ihren Modellierungsarbeiten unterstützt?

[TK] Ich nutze FEFLOW seit Version 6.0, daher habe ich die angesprochenen Änderungen aus erster Hand erfahren und nutze einige davon. Die wichtigsten Neuerungen sind für uns FePEST und die Python-Schnittstelle. Ohne FePEST und die damit mögliche parallele Kalibrierung der Grundwasserneubildung, der Randbedingungen mittels Python und der hydraulischen Leitfähigkeit mittels Pilot points wäre eine zufriedenstellende Kalibrierung des eben beschriebenen Modells schwer möglich gewesen. Mit Python nehmen wir vor dem Modelllauf eine Plausibilitätsprüfung vor und erfahren so, ob das Modell korrekt aufgebaut wurde. Im Postprocessing nutzen wir Python sehr stark und haben Skripte für verschiedene Auswertungen geschrieben, wie zum Beispiel die Ermittlung des freien Wasserspiegels, Berechnung von Minima, Maxima und Mittelwerten sowie Export von Daten als Shape-Dateien oder Ganglinien. So lassen sich relativ unkompliziert aus einer umfangreichen Ergebnisdatei im Zusammenspiel von Python und einigen Java-Anwendungen direkt Differenzenkarten und Streudiagramme mit Statistiken erzeugen.

[CRV] Bitte erinnern Sie sich ein paar Jahre zurück: Wie hat DHI Ihre Arbeit als Grundwassermodellierer beeinflusst? Welche Schritte haben Sie mit unserer Software gemacht?

[TK] Wir legen bei uns im Haus Wert darauf, früh in für uns sinnvoll nutzbare neue Anwendungsgebiete einzusteigen und auf uns zugeschnittene optimale Lösungen zu entwickeln – idealerweise gemeinsam mit dem Anbieter. An dieser Stelle ist die Kooperation mit DHI sehr angenehm und hilfreich, da wir unsere Expertise und die komplexen Bedürfnisse unserer Modellierer bzw. unserer Kunden direkt in die Produktentwicklung einbringen können. DHI hat – wie auch viele andere Software-Entwickler – natürlich dafür Sorge getragen, dass Anwenderfreundlichkeit, Präzision, die Einbindung neuer Technologien, die Entwicklung neuer Nutzungsszenarien, etc. sich kontinuierlich weiterentwickelt haben. Als Nutzer ist uns eine gewisse Verlässlichkeit des Herstellers wichtig, da wir oftmals mit hoch individualisierten Lösungen arbeiten und diese ebenfalls kontinuierlich anpassen und weiterentwickeln müssen.

[CRV] Erzählen Sie uns bitte, was Sie als die größte Herausforderung innerhalb Ihrer aktuellen Grundwassermodellierungs-Projekte ansehen. Gibt es ein Konzept, von dem Sie zunächst dachten, es wäre unmöglich umzusetzen und für das Sie doch eine kreative und unkonventionelle Lösung mit FEFLOW gefunden haben?

[TK] Ich denke, die größte Herausforderung war die Kalibrierung mit Pilot points, da es in Verbindung mit FePEST etwas komplett Neues war und viel Einarbeitung und viele Versuche erforderte. Im zoniert kalibrierten Modell ließ sich eine weitere Reduzierung des mittleren Fehlers nur über eine deutlich höhere Diskretisierung der Zonen verwirklichen. Da dies zu einer weitestgehend beliebigen Unterteilung der Zonen in immer kleinere Stückchen geführt hätte, haben wir eine regelmäßige Verteilung von Pilot points gewählt und damit die hydraulische Leitfähigkeit interpolativ erzeugt. Ich erinnere mich, dass im Rahmen der Kalibrierung auf meinen Vorschlag hin die Option „one layer adjustable, others tied“ in FePEST eingeführt wurde. Das war sehr erfreulich und hilfreich. Durch den Einsatz von Pilot points konnten wir den mittleren Fehler im Modell von über 1,2 m auf unter 0,4 m senken. Im Rückblick muss ich sagen, dass wir mit diesem aufwändigen Prozess ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben und es die Mühe wert war.

[CRV] Das Spektrum physikalischer Prozesse, die man mit FEFLOW modellieren kann, ist sehr groß. Es reicht von Grundwasserressourcen über reaktiven Stofftransport und Wärmetransport bis zu gekoppelten Oberflächen-Grundwasser-Prozessen. Es ist sehr schwierig, all dies durch ein einziges Consulting-Framework abzudecken. Wenn Sie die Zeit hätten, neue Optionen zu erkunden, was denken Sie, welche Herausforderung könnte für Sie die nächste in FEFLOW sein?

[TK] Die nächste Herausforderung wird sicherlich die Anwendung von unstrukturierten Netzen in Verbindung mit ungesättigter Strömung sein. Hier sehe ich das meiste Potenzial für meine Arbeit, wenn ich mich von den konventionellen Schichtstrukturen lösen kann und im Modellaufbau variabler bin.

[CRV] Wasserwirtschaft 4.0 revolutioniert die Entwicklung von Consulting- und Modellierungslösungen, insbesondere in Richtung von cloudbasierten Leistungen und intelligenten Strategien, die auf Algorithmen des maschinellen Lernens aufbauen. DHI hat den Anspruch, die Digitalisierung aktiv mitzugestalten. Wie sehen Sie selbst die Zukunft der Grundwassermodellierung und von FEFLOW? Was denken Sie, wird in den nächsten fünf Jahren passieren?

[TK] Ich glaube, dass die frühzeitige Einbindung neuer Technologien und das Schritthalten mit der weiteren technischen Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist und besonders für Anwender wie unser Büro, also mit sehr komplexen Fragestellungen und einem hohen Maß an individualisierten Lösungen, wichtige Entwicklungsansätze bietet. Ich denke aber auch, dass die tatsächliche Anwendung der Entwicklung in der Breite deutlich verzögert folgen wird. Es gibt bereits jetzt viele Features, die nur selten von der Mehrheit der Modellierer genutzt werden oder einem Nicht-Modellierer nur schwer vermittelt werden können, aber durchaus bei speziellen Fragestellungen ihre Berechtigung haben. Beispiele hierzu wären die Python-Schnittstelle, die Kalibrierung mit Pilot points, Unsicherheitsanalyse, gekoppelte Oberflächenwasser- und Grundwassermodellierung. Auf der anderen Seite steigen mit dem neuen Potenzial in der Modellierung auch die Ansprüche der Auftraggeber sowie Fach- und Genehmigungsbehörden an Genauigkeit und Umfang der Untersuchungen. Es wird auf jeden Fall spannend bleiben.

[CRV] Vielen Dank, Herr Dr. Krüger, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.

[TK] Gern geschehen.

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Carlos A. Rivera Villarreyes

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